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Unsere Mitglieder wollten kein zweites Online-Jugendlager. Wir auch nicht. Aber welche Alternativen gab es und wie konnten sie umgesetzt werden?
Innerhalb weniger Wochen und unter den besonderen Umständen eines neuen Teams in unserer Geschäftsstelle sowie einer weltweiten Pandemie organisierten wir ein hybrides Kinder- und Jugendlager mit verschiedenen nationalen Gruppen, die sich separat in ihren jeweiligen Heimatländern trafen – mit ausführlichem Hygienekonzept und dem Hoffen auf null Corona-Fälle. Wir trauten uns! Wir wollten unseren Kindern und Jugendlichen nach Monaten des Lockdowns endlich wieder etwas bieten.
Mit 85 Teilnehmenden im Alter zwischen einem und 80 Jahren trafen wir uns zum Höhepunkt des Sommers in der Jugendherberge Forbach-Herrenwies, in den Tiefen des Schwarzwaldes, in unmittelbarer Nähe eines wunderschönen Stausees, einer Bobbahn und eines Kletterwaldes.
Hier grüne Armbänder, dort gelbe und rote – und zack hatte jede Gruppe einen anderen Zeitslot für Essen, Busfahrten und die verschiedenen Programmpunkte. Auch die Einteilung der Schlafräume erfolgte anhand fester Gruppen. Wo immer möglich versuchten wir natürlich, Aktivitäten im Freien durchzuführen. Das konsequente Tragen von Masken innerhalb des Gebäudes funktionierte auch deshalb sehr gut.
Corona war und ist zwar immer noch nicht abgesagt, aber manchmal braucht es nur ein wenig Heimwerkerarbeit und gesunden Menschenverstand, um wieder etwas Normalität zurück in den Alltag zu bringen.
Beim Speeddating zu Beginn unseres Jugendlagers beantworteten die Jüngeren folgende Frage: „Was würdet ihr als Königin oder König von Deutschland ändern?“ Nicht überraschend war der Weitblick unserer Teilnehmer*innen: „Ich würde machen, dass Corona vorbei ist.“
„Kein Gold, keine Edelsteine, kein Eis – nein, das Ende von Corona wird herbeigesehnt. Wen wundert es nach so langer Zeit?“ Diese Zeilen schrieb unsere langjährige und sehr engagierte ehrenamtliche Mitarbeiterin und Russischübersetzerin Heike Adomat nach unserem Jugendlager.
Bibber, bibber – Digital Detox im Wald
Wir hatten für die Dolmetscherfunktion von Zoom eigens Sprachmittler*innen akquiriert und waren damit bereit für ein internationales Programm, das an fast allen Tagen für einige Stunden online durchgeführt wurde. Doch der Schwarzwald ist zwar ein Traum für Spaziergänger*innen und Naturliebhaber*innen, kann aber schnell zum Albtraum für internetsüchtige Stadtbewohner*innen werden, die zuständig für ein internationales Programm sind. Die Internetverbindung reichte anfangs nicht aus, um unsere sechs Partnerorganisationen aus der Türkei, den Niederlanden, Polen, Russland, Algerien und Tunesien per Zoom dazuzuschalten.
Einmal tief einatmen.
Zum Glück haben wir rechtzeitig unsere auffallende Begabung zur Improvisation entdeckt.
Einmal tief ausatmen.
Letztendlich gelang es uns doch, alle miteinander zu verbinden: Zum Beispiel zu einem gemeinsamen Filmabend, zu einer Foto-Show oder einem Meeting, bei dem die Gruppen sich, ihre Länder und aktuelle Projekte vorstellen und sich austauschen konnten.
Da neue Herausforderungen die Soli-Familie nie erschrecken, führten wir also drei Parallelprogramme durch.
Einmal ein Familienprogramm mit furchterregender Einhornsuche und Nachtwanderung, Badespaß, Bobfahren für Groß und Klein, Klettergarten, Spielen und Basteln und gleichzeitig ein Jugendprogramm mit Bogenschießen, Floßbau und Fahrt über den Stausee. Dazu kam das bereits erwähnte digitale Programm mit unseren Partnern im Ausland.
Die Highlights des Jugendlagers bleiben dabei unbestritten der Tagesausflug nach Baden-Baden mit dem Besuch des grandiosen Musikmuseums (in dem wir alle Instrumente ausprobieren und zusammen musizieren durften), das Volleyball- und Tischtennisturnier und unser traditioneller, sagenhafter Grillabend.
Weil der Ansatz unseres Verbandes über sportliche Aktivitäten hinausgeht, ist es uns ein sehr wichtiges Anliegen zu zeigen, wie die Solijugend international arbeitet und unsere Mitglieder auch politisch zu informieren. Aus diesem Anspruch heraus haben wir die derzeitigen beiden deutschen UN-Jugenddelegierten eingeladen einen Workshop auf dem Lager abzuhalten. Sie haben uns nicht nur die Geschichte und Aufgaben der UN erläutert und über ihre Arbeit in New York berichtet, sondern auch bestätigt, wie wichtig Verbände wie die Solijugend sind, um die Nachhaltigkeitsziele der UN zu erreichen. Der direkte Austausch mit jungen Menschen weltweit steht im Mittelpunkt unserer Arbeit.
Resilienz ist die Fähigkeit, gelassener auf Stress zu reagieren, was insbesondere in Zeiten von Corona von Bedeutung ist. Die Resilienz junger Menschen zu stärken, ist unser Antrieb. Das beste Mittel dazu ist, Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen, zu pflegen und in Kontakt zu treten.
Unser Workshop zum interkulturellen Lernen diente nicht nur diesem Ziel, sondern hatte auch den Zweck, Ambiguitäten und Widersprüche auszuhalten und Interkulturalität zu fördern. Was heißt es, anderen Raum zu geben und die eigenen Bedürfnisse einmal hintenanzustellen? Was für ein Gefühl löst es aus, sich auf verschiedenen Ebenen zu engagieren und anderen zuzuhören, langsam zu sprechen und sich zu verständigen, damit andere die Möglichkeit haben mitzureden? Wer sind wir als Gruppe und wen wollen wir erreichen? Wie anspruchsvoll ist es, mehrere Geschichten und nicht nur eine „Single Story“ zu einem Thema zu erzählen? Was heißt es in der Praxis, Vorurteilen entgegenzuwirken und Verständnis zu zeigen?
Bei alledem war Flexibilität definitiv das Schlagwort des Jugendlagers: Aufgrund von Corona-Maßnahmen und Wetterlaunen hatten wir uns ständig auf Programmänderungen einzustellen – Alternativen schaffen, doppelt kommunizieren, Ideen sammeln und Schwarmintelligenz waren gefragt und jede*r konnte Kompetenzen zum Nutzen der gesamten Gruppen einsetzen.
Aus diesem Grund wird bei uns immer ambitionierte ehrenamtliche Unterstützung gebraucht, damit unsere vielfältige Arbeit geleistet werden kann und neue Visionen entstehen können.
Sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen und kulant auf Umstellungen zu reagieren machte uns letztendlich allen viel Spaß. Wer hätte gedacht, dass das Verlassen der eigenen Komfortzone so aufregend sein könnte?
Solidarischer Blick in die Zukunft
Die Pandemie wird uns noch lange begleiten und scheint sich nicht an unsere Erwartungen und Hoffnungen anpassen zu wollen. Vielmehr sind wir diejenigen, die als Verein mit internationalen Kontakten unsere Haltung anpassen und kreative Konzepte entwickeln müssen.
In Anbetracht der gesellschaftlichen (Auf-)dringlichkeiten und der populistischen Stimmen scheint es mehr als notwendig, dabei auch über übergeordnete jugendpolitische Ziele nachzudenken: Wie wollen wir gemeinschaftliche Veränderungen vorantreiben? Wie können wir Partizipation und Perspektivwechsel fördern?
Wesentlich bleibt nach wie vor, uns an den Wünschen, Interessen und Anliegen unserer Mitglieder zu orientieren und ihnen unsere Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Nur dann können auch in der Zukunft nachhaltige und solidarische internationale Begegnungen stattfinden, auf denen Mitglieder, Ehren- und Hauptamtliche mit- und voneinander lernen.
Wenn jede*r von uns auf dem Jugendlager lernen konnte, mehrere Rollen gleichzeitig auszuführen und Verantwortungsbewusstsein zu zeigen, von Betreuer*innen bis zu Übersetzer*innen, hatte das eine wichtige Voraussetzung: Verständnis und Empathie für andere. Nur so kann Jugendarbeit gelingen.
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Our members didn’t want a second online youth camp. Neither did we. But which alternatives were there and how could they be implemented?
Within a few weeks, under the special circumstances of a new team in our office and a worldwide pandemic, we organized a hybrid children’s and youth camp with different national groups meeting separately in their respective home countries — with a detailed hygiene concept and hoping for zero Corona cases. We dared! We wanted to finally offer our children and young people something again after months of lockdown.
With 85 participants aged between one and 80, we met for the peak of the summer at the youth hostel in Forbach-Herrenwies, in the depths of the Black Forest, in the immediate vicinity of a beautiful reservoir, a bobsled run and a climbing forest.
Here green wristbands, there yellow and red ones — and boom: each group had a different time slot for meals, bus rides and various program points. Even the division of the dormitories was based on fixed groups. Wherever possible, of course, we tried to do outdoor activities. The consistent wearing of masks inside the building also worked very well for this reason.
Corona was and is still not canceled, but sometimes it just takes some DIY and common sense to bring some normality back into everyday life.
During speed dating at the beginning of our youth camp, the younger ones answered the following question: “What would you change if you were Queen or King of Germany?” Not surprisingly, the foresight of our participants was: “I would make Corona pass.”
“No gold, no gems, no ice — no, the end of Corona is longed for.” Who is surprised after so long? These lines were written by our long-time and very dedicated volunteer and Russian translator Heike Adomat after our youth camp.
Bibber, bibber — Digital Detox in the forest
We had acquired interpreters for the translating function of Zoom and were thus ready for an international program that was conducted online for a few hours on almost every day. But the Black Forest, while a dream for walkers and nature lovers, can quickly become a nightmare for Internet-addicted city dwellers in charge of an international program. At the beginning, the Internet connection was not sufficient to connect with our six partner organizations from Turkey, the Netherlands, Poland, Russia, Algeria and Tunisia via Zoom.
Take a deep breath in.
Fortunately, we discovered in time our striking talent for improvisation.
And exhale deeply.
In the end, we did manage to connect everyone: For example, to a joint movie night, a photo show or to the farewell evening where the groups could present themselves, their countries and current projects and exchange ideas.
Since new challenges never scare the Soli family, we therefore ran three parallel programs.
One was a family program with a scary unicorn hunt and night hike, swimming fun, bobsledding for young and old, a climbing garden, games and crafts, and at the same time a youth program with archery, raft building and a trip across the reservoir. In addition, there was the already mentioned digital program with our partners abroad.
The highlights of the youth camp remain undisputedly the day trip to Baden-Baden with a visit to the magnificent music museum (where we were allowed to try out all the instruments and make music together), the volleyball and table tennis tournament and our traditional, fabulous barbecue evening.
Because the approach of our organization goes beyond sport activities, it is very important for us to show how the Solijugend works internationally and to inform our members also politically. Out of this demand we invited the current two German UN delegates to a workshop. They not only explained to us the history and tasks of the UN and reported about their work in New York, but also confirmed how important associations like the Solijugend are in order to achieve the sustainability goals of the UN. Direct exchange with young people worldwide is at the heart of our work.
Resilience is the ability to respond more calmly to stress, which is particularly important in times of corona. Building young people´s resilience is what drives us. The best way to do this is to bond, connect and maintain relationships with others.
Our workshop on intercultural learning not only served this goal, but also had the purpose to endure ambiguities and contradictions and promoting interculturality. What does it mean to give space to others and to put one’s own needs in the background for once? What kind of feeling does it trigger to engage on different levels and to listen to others, to speak slowly and to communicate so that others have the opportunity to join in? Who are we as a group and who are we trying to reach? How challenging is it to tell multiple stories and not just a “single story” on a topic? What does it mean in practice to counter prejudice and show understanding?
In all of this, flexibility was definitely the buzzword of the youth camp: due to Corona measures and weather whims, we had to constantly adapt to program changes — creating alternatives, communicating twice, collecting ideas and swarm intelligence were asked. Each person could use its competences for the benefit of the whole groups.
For this reason, ambitious volunteer support is always needed in order to accomplish very diverse work and let´s emerge new visions.
Finally, putting ourselves in the perspective of others and responding accommodatingly to changeovers was a lot of fun for all of us. Who would have thought that leaving one’s comfort zone could be so exciting?
Looking to the future with solidarity
The pandemic will still be with us for a long time and does not seem to want to adapt to our expectations and hopes. Rather, we are the ones who, as an international organization, have to adapt our attitude and develop creative concepts.
In view of the social urgencies and populist voices, it seems more than necessary to think about overarching policy goals: How do we want to drive community change? How can we promote participation and perspective´s switch?
It remains essential that we orient ourselves to the wishes, interests and concerns of our members and make our resources available to them. Only then can sustainable and solidary international encounters take place, where members, volunteers and staff learn with and from each other.
If each of us at the youth camp could learn to perform several roles at the same time and show a sense of responsibility, from supervisors to translators, this had an important prerequisite: Understanding and empathy for others. Only in this way can youth work succeed.