
Seit vielen Jahren schon engagiert sich Heike Adomat, langjährige Freundin und Unterstützerin der Solijugend, für die deutsch-russiche Freundschaft. Sie organisiert jedes Jahr unsere internationale Jugendbegegnung nach Russland und betreut ehrenamtlich als Sprachmittlerin die russische Gruppe bei unseren internationalen Jugendbegegnungen in Deutschland. Hauptamtlich arbeitet sie als Russischlehrerin in einem Gymnasium.
Und weil ihr das noch nicht genug ist, hat sie uns beim 15. Deutsch-Russischen Jugendforum vertreten, welches der Nationale Kinder- und Jugendrat Russlands NYCR in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bundesjugendring vom 30.11. – 03.12.2017 in Rjasan (Russland) organisiert hat.
Hier kannst du ihren Bericht lesen. Wir sagen vielen Dank liebe Heike!
Was macht eine Lehrerin an einem gaaanz langen Wochenende?
Chillen, abhängen, faulenzen- an nichts denken….weit gefehlt! Sie fliegt nach Russland- wieso? – Ich erzähle es euch. In Sachsen gibt es sogenannte freibewegliche Ferientage und diese wurden- warum auch immer- auf den 30. November und 1. Dezember festgelegt. Folglich hätte ich mich von Donnerstag bis einschließlich Sonntag von der anstrengenden Schulzeit erholen können. Doch es kam anders.
Der Deutsche Bundesjugendring lud vom 30.11. bis zum 3.12.2018 zum 15. Deutsch- Russischen Jugendforum nach Rjasan ein. Zwanzig Leute aus den unterschiedlichsten Gegenden und von den verschiedensten Organisationen, die alle in irgendeiner Weise mit dem deutsch-russischen Jugendaustausch zu tun haben, nahmen am Forum teil. Und ich durfte dabei sein. HURRA!
Was für ein Erlebnis: Junge engagierte Menschen aus den verschiedensten Bereichen, die Interesse an Russland haben, die bereit sind, ihre Freizeit unter anderem damit zu verbringen, Austausche zu organisieren, um anderen jungen Leuten beider Länder zu zeigen, dass es sich lohnt, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich kennenzulernen und aktiv zu werden. Ein grandioses Gefühl.
Wie lief das Wochenende nun ab? Bestens geplant und rundum gelungen.
Nach einem guten Flug nach Moskau trafen sich alle deutschen Teilnehmenden dort am Flughafen. Wir wurden mit dem Bus abgeholt, um die etwa hundert Kilometer nach Rjasan unter die Räder zu nehmen. Normalerweise eine zweistündige Fahrt- an diesem Donnerstag jedoch nicht. Gefühlt alle 11 bis 12 Millionen EinwohnerInnen und PendlerInnen der Stadt standen vor uns auf der Piste und somit gemeinsam mit uns im Stau. Wir brauchten sieben Stunden, die aber lustig und locker im Bus auszuhalten waren, auch dank der rührenden Sorge der russischen Begleitung um uns. Einige Studierende der Universität von Rjasan, die uns während des gesamten Zeitraums des Forums begleiteten, hatten uns abgeholt, sorgten sich um unser leibliches Wohl und waren bemüht, uns jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Ein Sprachproblem gab es dabei nicht, denn sie sprachen zum Teil ein wunderbares Deutsch, waren aber auch im Englischen fit und konnten sehr zu meiner Freude auch Russisch sprechen. Genial- endlich wieder richtig Russisch reden- herrlich!
In Rjasan angekommen, empfing man uns im Hotel „ Altstadt“ mit der weitbekannten russischen Gastfreundschaft. Die RussInnen sind darin unübertroffen. Die Unterkunft ließ keine Wünsche offen. Das Hotel war erst im Sommer 2017 eröffnet worden und strahlte Eleganz und Luxus aus, die Zimmer, die übrigens jeweils von einem/einer russischen und einem/einer deutschen TeilnehmerIn bewohnt wurden, waren vom Feinsten, der Service umwerfend und das Essen viiiel zu viiiel und viiiel zu lecker.
Aber nicht nur diese Annehmlichkeiten erwarteten uns, im Gegenteil, die russischen Teilnehmenden des Forums, die ebenfalls eine Odyssee über ihre Anreise zu berichten gehabt hätten, waren neugierig auf die Dinge, die da kommen sollten. Eine Vorstellungsrunde machte deutlich, wer alles mit an Bord war und es schien spannend zu werden. Auch hier wurde klar, die Kommunikation wird kein Problem werden, es fand sich immer eine Person, die hätte helfen können. Das war aber nicht nötig, denn irgendeine Sprache funktionierte immer, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich selbst war beeindruckt von der Neugier, der Offenheit, der Freude teilhaben zu können, der Bereitwilligkeit zu agieren, die alle Teilnehmenden- also sowohl die russischen, als auch die deutschen, an den Tag legten. Schon vom ersten Moment des Forums an sah ich immer wieder anders gemischte Grüppchen, die sich angeregt unterhielten, sich austauschten und miteinander diskutierten. Keine Scheu, keine Hemmungen, kein Fremdeln- nur pures Interesse füreinander- toll!
Am Freitag wurde nach einem leckeren Frühstück das Forum offiziell eröffnet. Dazu fuhren wir zur Universität der Stadt, die den Namen des großen russischen Dichters Sergei Jessenin trägt. Voller Stolz führten uns die Studierenden durch ihre Einrichtung. In einer großen Aula fand die würdige Eröffnung statt, nicht ohne in jedem Satz die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Zusammenarbeit und der Förderung des Austauschgedankens zwischen beiden Ländern hervorzuheben und zu betonen.
Ein üppiges schmackhaftes Mittagessen in der Mensa sorgte für volle Bäuche und die Grundlage, einen Spaziergang bei eisigem Wind und Schneefall zum Rjasaner Kreml, einem am Fluss Oka gelegenen fast 1000jährigen Ensemble unterschiedlichster Kathedralen und Kirchen von internationaler Bedeutung, zu unternehmen. Architektur- Geschichts- und Kirchenfreaks hätten ihre helle Freude daran und jährlich besuchen tausende TouristInnen die Stadt wegen der zahlreichen Sehenswürdigkeiten.
Zum Hotel zurückgekehrt, begann unsere eigentliche Forumsarbeit. Schon im Vorfeld teilte man uns in vier Arbeitsgruppen mit den Themen
- die Vereinten Nationen und die Ziele der nachhaltigen Entwicklung – Agenda 2030
- Öffentliche Diplomatie (Public Diplomacy)
- Deutsch-Russisches Jahr der Städtepartnerschaften 2017/2018 und Einbeziehung von Jugendlichen in Städtepartnerschaften
- ein Open-Space-Thema für Rückmeldungen der Teilnehmenden
Ich war in der Gruppe „ Jugendaustausche/ Partnerschaften“ tätig. Wir berichteten darüber, in welcher Art Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Seite wir aktiv sind und tauschten Erfahrungen aus, wie Austausche und Projekte organisiert werden können. Ein Workshop machte deutlich, was ein Projekt überhaupt ist und gab Impulse dafür, welche Wege man gehen sollte, um es planen, umsetzen und etablieren zu können. Ein erster Anfang war gemacht.
Am Abend besuchten wir ein traditionelles Restaurant. Gemütlich sitzend, bestens versorgt, genossen wir die erlesenen Speisen und bekamen anschließend während einer russischen Teezeremonie exakte Informationen über die Geschichte, die Traditionen, die Sinnhaftigkeit und den Genuss des Teetrinkens. Im Hotel setzte sich der Gedankenaustausch fort, in zahlreichen Gruppen saß man hier und da zusammen und führte interessante, spannende Gespräche.
Der Sonnabend war ganz der inhaltlichen Forumsarbeit gewidmet. Die Gruppenarbeit ging nach dem wohlschmeckenden, reichhaltigen Frühstück weiter. Zunächst erhielten wir einen Fundus an Informationen über tatsächlich existierende Stellen, die bei der Organisation und Durchführung von Austauschen oder Projekten Hilfestellungen geben und Unterstützung bieten. Uns wurde erklärt, welche Schritte in der Planung zu gehen sind, was alles zu bedenken ist und berichtete über bereits durchgeführte Aktivitäten und deren Ergebnisse. In unserer Gruppe bildeten wir später kleinere Teams, phantasierten über mögliche Projekte eines Austauschs, einigten uns dann auf eins und planten, rechneten, fanden Ideen für Inhalte, Orte, Teilnehmendenanzahl, Partner, Förderer und Zeitpunkte. Unsere Projekte waren alle imaginär und wurden am Ende des Arbeitstages, der nur durch ein köstliches Mittagessen im Hotel unterbrochen worden war, vorgestellt. Dazu versammelten sich nunmehr alle Gruppen, präsentierten ihre Ideen und andere Teilnehmende fügten weitere Punkte hinzu.
Ich persönlich empfand diesen Tag der Forumstätigkeit als zu lang und letztendlich als zu unkonkret für tatsächliche zukünftige Aktivitäten. Die jüngeren Teilnehmenden haben aber gewiss viel erfahren und nehmen etliche Ideen und Informationen mit nach Hause. Ich hatte den Eindruck, dass der Wunsch nach Austausch gestärkt wurde und bei zahlreichen Gesprächen am Rande bemerkte ich, dass persönliche Kontakte geknüpft wurden, um gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen.
Das Forum ging dem Ende zu. Der letzte Abend galt dem Abschiednehmen. Wir verbrachten ihn in einem Restaurant bei verführerisch abwechslungsreichem Essen, das ununterbrochen mit neuen delikaten Dingen bereichert wurde. Nach zahlreichen Reden und Dankesworten spielte eine Live- Band für uns. Die Stimmung war gigantisch, alle machten mit, es wurde getanzt bis zum Abwinken. Ich beobachtete junge Leute, die ausgelassen, freudestrahlend, lebenslustig und ungehemmt über die Tanzfläche wirbelten. Die Band war bestens gelaunt, die anderen Gäste im Restaurant beteiligten sich gern- kurzum- ein gelungener Abschlussabend.
Am Sonntag hieß es Abschiednehmen. Aufgrund der Stauerfahrungen vom Donnerstag waren alle ein wenig unruhig, natürlich wollte man, dass wir unsere Flüge erreichen. Dennoch ermöglichte man uns den Besuch von Konstantinowo, dem Geburtsort von Sergei Jessenin. Unweit von Rjasan gelegen, durchfuhren wir zunächst russische weite Landschaft, Wälder, Felder bis zum Horizont, da und dort mal ein Minidorf. In Konstantinowo, das direkt an der Oka liegt, empfing uns ein Dorf mit russischen Holzhäusern, Birkenwald und Flussauen. Das alles schneebedeckt und im strahlenden Sonnenschein. Atemberaubend schön-wie im Märchen. Dazu eine sprachlich grandiose Führung im Jesseninmuseum, die die Liebe der Russen zu ihrem Poeten mit jedem Wort, mit jeder Geste, mit jeder rezitierten Zeile verdeutlichte. Was für ein Abschiedsgeschenk- ich habe es in vollen Zügen genossen.
Die Busfahrt war unspektakulär- bis auf die Polizeikontrolle. Die Beamten der Kontrollstation hatten aber ein Einsehen und wir durften nach knapp 15 Minuten unsere Reise fortsetzen. Wir erreichten den Flughafen pünktlich, alle Flüge fanden statt und so kamen wir müde, erschöpft, aber zufrieden und voller Eindrücke nach Deutschland zurück.
Eine Teilnehmerin, die zum ersten Mal in Russland war, sagte, sie wäre mit Befürchtungen und Ängsten losgefahren. Sie hatte sich im Vorfeld informiert und man beschrieb ihr Russland als hinterwäldlerisch, unfreundlich und kalt. Zurückgekommen, war sie förmlich euphorisch über die Herzlichkeit, die Schönheit und die Moderne, die sie erleben durfte. „Das war meine erste Reise in dieses Land, aber gewiss nicht die Letzte!“ Was will man mehr? Ziel erreicht- würde ich sagen!
Ich habe es nicht bereut, mein langes Wochenende „geopfert“ zu haben. Im Gegenteil, ich möchte mich bedanken bei der Solijugend und dem Deutschen Bundesjugendring, dass ich die Gelegenheit hatte, mitreisen zu dürfen.
Heike Adomat
PS: Noch mehr Eindrücke des 15. Deutsch-Russischen Jugendforums, kannst du dir hier in diesem kurzem Video ansehen.