Regards Croisés: trinationale Jugendbegegnung in Berlin

Die Soli­ju­gend set­zte Ende Novem­ber mit der zweit­en von drei tri­na­tionalen Jugend­begeg­nun­gen ihre Bemühun­gen fort, junge Men­schen aus Deutsch­land, Alge­rien und Frankre­ich zusam­men­zubrin­gen. Der vom Deutsch-Franzö­sis­chen Jugendw­erk (DFJW) geförderte Jugen­daus­tausch in Berlin knüpfte an das Tre­f­fen vom Mai 2023 in Frankre­ich an, bei dem die Teil­nehmenden die Spuren des Holo­caust und der franzö­sis­chen Kolo­nialgeschichte erkun­de­ten. Nun lag der Fokus auf der Auseinan­der­set­zung mit der Frage, wie Kolo­nialgeschichte bis heute das glob­ale Miteinan­der bee­in­flusst. Das Pro­jekt „Regards Croisés“ (gekreuzte Blicke), in dessen Rah­men die Begeg­nung stat­tfand, existiert bere­its seit 2017 und wurde von den franzö­sis­chen Kol­legin­nen und Kol­le­gen ins Leben gerufen.

Rück­blick: Begeg­nung in Frankreich

Im Mai 2023 hat­ten die Teil­nehmenden in Paris, Lyon und Mar­seille zen­trale his­torische Orte in Frankre­ich besucht und sich mit The­men wie der franzö­sis­chen Kolo­nialgeschichte und der Erin­nerungskul­tur rund um den Holo­caust auseinan­derge­set­zt. Beson­ders prä­gend waren der Besuch der Pont Saint-Michel, wo das Mas­sak­er an algerischen Demon­stri­eren­den 1961 the­ma­tisiert wurde, sowie die Diskus­sio­nen über die oft ver­nach­läs­sigte Aufar­beitung der Kolo­nialzeit in Frankre­ich. Diese Erfahrun­gen schufen die Grund­lage für die Fort­set­zung der gemein­samen Reflex­ion in Berlin.

Tag 1: Ein­führung und Hum­boldt Forum

Der Auf­takt in Berlin begann mit ein­er her­zlichen Begrüßung, Kennlern­spie­len und ein­er Führung durch das Hum­boldt Forum am Nach­mit­tag. Im eth­nol­o­gis­chen Muse­um erfuhren die Teil­nehmenden von den „drei C’s“ der Kolo­nial­isierung – „civ­i­liza­tion“, „chris­tian­i­ty“ und „com­merce“. Beson­ders ein­drück­lich war die Erken­nt­nis, dass über 90 % des afrikanis­chen kul­turellen Erbes noch immer in europäis­chen Museen lagern und Men­schen aus afrikanis­chen Staat­en in den Glob­alen Nor­den reisen müssen, um es zu sehen. Dies führte zu inten­siv­en Diskus­sio­nen über die Ver­ant­wor­tung Europas im Umgang mit diesem Erbe. Der Abend endete in einem ersten Work­shop zur Frage, was Kolo­nial­is­mus für die Teil­nehmenden bedeutet und was sie damit verbinden.

Tag 2: Work­shop und Vernetzung

Am zweit­en Tag ver­tieften die Teil­nehmenden ihre Auseinan­der­set­zung mit dem The­ma Kolo­nial­is­mus. In einem inter­ak­tiv­en Work­shop reflek­tierten sie, wie Kolo­nial­isierung bis heute unsere Gesellschaften prägt. Mith­il­fe eines Ver­gle­ichs der Berichter­stat­tung in den drei Län­dern über die algerische Rev­o­lu­tion wur­den Unter­schiede in der Darstel­lung und Wahrnehmung his­torisch­er Ereignisse analysiert: Wer aus Sicht Alge­riens ein „Held“ ist, ist aus Sicht Frankre­ichs mitunter „Ter­ror­ist“.

Am Nach­mit­tag besuchte die Gruppe das Deutsch-Franzö­sis­che Jugendw­erk. Die Vorstel­lung der beteiligten Organ­i­sa­tio­nen Soli­ju­gend (Deutsch­land), ADEEJ (Alge­rien) und SOS Racisme (Frankre­ich) bot die Möglichkeit, gemein­same Pro­jek­te und Visio­nen zu entwick­eln. Danach traf die Gruppe auf Christi­na Schnei­der, Ref­er­entin für Inter­na­tionale Jugend­poli­tik des Deutschen Bun­desju­gen­drings (DBJR), die Ein­blicke in die inter­na­tionale Jugen­dar­beit gab. Vor dem Aben­dessen besuchte die Gruppe einen der Berlin­er Wei­h­nachtsmärk­te, auf dem die Teil­nehmenden die Gele­gen­heit hat­ten, sich in ein­er lock­eren Atmo­sphäre weit­er auszutauschen.

Ein beson­der­er Höhep­unkt am Abend war der Vor­trag von Paul Max Morin, der die Geschichte der Kolo­nial­isierung Alge­riens und den Alge­rienkrieg beleuchtete. Seine Exper­tise und der anschließende Aus­tausch ver­tieften das Ver­ständ­nis für die The­matik und zeigten die Her­aus­forderun­gen, vor denen die algerische Gesellschaft bis heute steht.

Tag 3: Gedenkstät­ten und Reflexion

Der dritte Tag führte die Gruppe zu zwei zen­tralen Orten deutsch­er Erin­nerungskul­tur: der Gedenkstätte Berlin­er Mauer und der Gedenkstätte Sach­sen­hausen in Oranien­burg. Die Besuche ermöglicht­en es, Par­al­le­len zwis­chen der deutschen und der algerisch-franzö­sis­chen Geschichte zu ziehen. Die Reflex­ion am Abend bot Raum, die Erfahrun­gen des Tages zu ver­ar­beit­en und sich über die Bedeu­tung der Auseinan­der­set­zung mit Geschichte auszutauschen.

Tag 4: Biografiear­beit und jüdis­ches Leben

Am let­zten Tag lag der Fokus auf der Biografiear­beit: Die Teil­nehmenden erar­beit­eten, wie Kolo­nialgeschichte ihre eige­nen Lebenswege bee­in­flusst und welche Ver­ant­wor­tung sie für eine gerechtere Zukun­ft übernehmen wollen. Ein Faz­it viel­er Teil­nehmender war, dass die meis­ten aus einem gemein­samen Grund an der Begeg­nung teil­nehmen, der nicht offen­sichtlich ist: Alle Vor­fahren der Teil­nehmenden erlebten Trau­ma durch den Zweit­en Weltkriege und die Kolo­nialgeschichte. Alle Teil­nehmenden vere­int, dass sie heute für Frieden und inter­na­tionale Zusam­me­nar­beit kämpfen.

Ein Besuch im Jüdis­chen Muse­um beein­druck­te beson­ders die algerischen Teil­nehmenden und ermutigte sie dazu, ein ähn­lich­es Muse­um für die algerische Min­der­heit in Frankre­ich zu fordern. Darüber hin­aus machte der Besuch die Gruppe mit der Geschichte jüdis­chen Lebens in Deutsch­land ver­traut und verdeut­lichte Zusam­men­hänge zur deutschen Kolonialgeschichte.

Faz­it

Die Begeg­nung in Berlin war ein weit­er­er Meilen­stein für die tri­na­tionale Gruppe. Trotz der immer noch starken Ein­schränkun­gen des Aus­tauschs durch die Nicht-Ver­gabe von Visa für acht algerische Teil­nehmende durch die deutsche Botschaft in Alge­rien bot das Pro­gramm in Berlin die Möglichkeit, das Wis­sen zu ver­tiefen und Verbindun­gen zwis­chen der kolo­nialen Ver­gan­gen­heit und aktuellen glob­alen Her­aus­forderun­gen aufzuzeigen. Die Vielfalt der Per­spek­tiv­en förderte nicht nur das gegen­seit­ige Ver­ständ­nis, son­dern bestärk­te die Teil­nehmenden auch darin, aktiv für eine sol­i­darische Welt einzutreten.

Aus­blick

Ziel ist, Ende Novem­ber 2025 eine dritte Begeg­nung in der algerischen Haupt­stadt Algi­er durchzuführen. Damit soll die his­torische und kul­turelle Auseinan­der­set­zung erweit­ert und die Zusam­me­nar­beit zwis­chen den drei Län­dern weit­er gestärkt wer­den. Die gemein­same Arbeit an The­men wie Kolo­nial­is­mus, Erin­nerungskul­tur und Sol­i­dar­ität hat nicht nur beste­hende Fre­und­schaften ver­tieft, son­dern auch den Grund­stein für neue Pro­jek­te gelegt.