Forbach
Vom 22. Sep­tem­ber bis 2. Okto­ber 2021 besuchte eine Del­e­ga­tion der Soli­ju­gend Krasnodar. Unsere langjährige ehre­namtliche Mitar­bei­t­erin Heike Ado­mat hat während des Fachkräfteaus­tauschs ein aus­führlich­es Tage­buch geführt.
 

Tag 1

Was für ein Tag! Unsere Rus­s­lan­dreise begin­nt. Kaum zu glauben, aber wahr. Lang ersehnt und nun geht es los …

Alle sind neg­a­tiv auf Coro­na getestet, pünk­tlich am Flughafen Frank­furt, freuen sich – und trotz­dem ist die Aufre­gung unverkennbar. Der Check-in funk­tion­iert rei­bungs­los, es gibt keine Prob­leme, in let­zter Minute kann sog­ar noch schnell im Duty-free geshopt werden.

Voller Vor­freude steigen wir ins Flugzeug, sitzen auch ziem­lich beieinan­der und heben bald ab. Der Flug ist angenehm, ohne Tur­bu­len­zen, mit guter Sicht beim Start. Die Lan­dung in Moskau auf dem Riesen­flughafen Scheremet­je­wo ist weich. Beein­druckt von Größe und Moder­nität des Air­ports sind wir anschließend sehr lang unter­wegs, absolvieren die Kon­trollen und find­en pünk­tlich unser Gate. Das zweite Check-in ist kein Prob­lem, das Flugzeug allerd­ings bedeu­tend voller als das erste, aber auch hier sitzen wir bequem und har­ren der Dinge, die da kommen.

Nach zwei Stun­den lan­den wir sich­er in Krasnodar, unserem Ziel der Reise. Dort wer­den wir her­zlich von Wladimir begrüßt. Die Freude, uns endlich wiederzuse­hen und das Ziel erre­icht zu haben, ist uns allen ins Gesicht geschrieben.

Ein Taxi bringt uns ins Hotel, wo wir mit Sekt und Saft her­zlich emp­fan­gen wer­den. Nach ein­er kurzen Ein­weisung zum Hotel und zum Ablauf des näch­sten Tages bekom­men wir unsere Zim­mer­schlüs­sel und ver­ab­schieden uns bis mor­gen früh.

Nun träumt schon manche*r von zu Hause, aber vielle­icht auch von den Aben­teuern, die uns in den näch­sten Tagen erwarten.

Tag 2

Nach ein­er für viele unser­er Gruppe viel zu kurzen Nacht tre­f­fen wir uns im hoteleige­nen Restau­rant zum Früh­stück. Wir steigen typ­isch rus­sisch ein – mit leck­erem Salat aus frischen Gurken, Tomat­en und Zwiebeln, gar­niert mit Schaf­skäse, um uns dann ein gebratenes Würstchen und eine Art Omelett schmeck­en zu lassen. Dazu wählen wir ver­schiedene Sorten frisches Brot. Wer glaubte, das wäre es gewe­sen, der irrte. Eine Por­tion Syrni­ki (Quarkp­fannkuchen mit Kon­fitüre und saur­er Sah­ne­haube) kom­plet­tiert das Frühstück.

Auf dem Pro­gramm ste­ht heute eine Stadtrund­fahrt, die uns zunächst zur Bank bringt, zum Geld­tauschen. Nach­dem das erledigt ist, ler­nen wir das alte Stadtzen­trum Krasnodars ken­nen, hören vor ihrem Denkmal ste­hend von der Geschichte und Bedeu­tung von Kathe­ri­na der Zweit­en (die „Große“), ste­hen gegenüber der Kosak­enkathe­drale und laufen ein Stück auf der Haupt­straße der Stadt ent­lang, vor­bei an ver­schiede­nen Gebäu­den der Admin­is­tra­tion der Stadt bis zum Puschkindenkmal vor der gle­ich­nami­gen Bib­lio­thek. Zarin Kathe­ri­na spielt eine große Rolle in der Geschichte der Stadt, ja des gesamten Gebi­ets, das nach dem hier fließen­den Fluss Kuban benan­nt ist. Sie schenk­te den Kosak­en das hiesige Land mit der Auf­gabe, sie und ihr Reich vor den südlichen Bergvölk­ern und den Türken zu schützen. Ein genialer Schachzug. Der Plan ging auf.

Sie wird mit Denkmälern, auf Gemälden und jegliche andere Weise verehrt. Man erwäh­nt sie in jed­er Lebenslage. Ja, selb­st die zahlre­ichen Papierkörbe in der Stadt tra­gen ihren Anfangsbuchstaben.

Die Weit­er­fahrt führt ent­lang der Haupt­straße, vor­bei an Geschäften, Hotels, Denkmälern, Tri­umph­bo­gen, Spring­brun­nen, Blu­menuhr und Denkmälern, wie zum Beispiel dem aus­sagekräfti­gen Skulp­turen­denkmal nach Repins Gemälde „Die Saporosh­er Kosak­en schreiben einen Brief an den türkischen Sul­tan“. Spätestens hier wird uns klar, dass wir nochmal zu Fuß unter­wegs sein wollen, um all diese Dinge bess­er sehen und erleben zu können.

Die Fahrt bringt uns dann in einen jun­gen Teil Krasnodars, der erst in den let­zten Jahren ent­stand. Inner­halb von drei Jahren stampfte man hier ein neues Sta­dion für 34 000 Zuschauer aus dem Boden. Es befind­et sich in unmit­tel­bar­er Nähe ein­er gewalti­gen Wohn-Schlaf­s­tadt, beste­hend aus unzäh­li­gen Häuserblocks auf der einen Seite und einem weitläu­fi­gen Park mit Spielplätzen, Skate­bah­nen, Aus­sichts- und Rasen­flächen, der von der Bevölkerung sehr gut zur Erhol­ung und Entspan­nung angenom­men wird, auf der anderen Seite. Finanziert und erhal­ten wer­den das Sta­dion, die dazuge­höri­gen Train­ingsplätze, die Elite­s­ports­chule und der Park von einem Mäzen, der sein Geld unter anderem durch eine Super­mark­tkette ver­di­ent hat. Wir vertreten uns im Are­al des Parks die Beine und fahren dann zurück ins Hotel zum Mit­tagessen. Reich­haltig und sehr schmack­haft ver­wöh­nt man uns mit ein­er Suppe und einem Reisgericht.

Der Nach­mit­tag bein­hal­tet eine Stad­texkur­sion, die wir zu Fuß absolvieren. Der Besuch der Kathe­drale ist faszinierend. Vater André klärt uns über ihre rel­a­tiv junge, deshalb aber nicht weniger inter­es­sante Geschichte auf. Er erzählt uns, welche seel­sorg­erische Rolle seine Ein­rich­tung für die Stadt und ihre Umge­bung hat. Das Innere macht sprach­los und fasziniert. Gold­verzierte Altäre, Iko­nen, Stän­der mit Erin­nerungskerzen – der Anblick ist über­wälti­gend. Man lädt uns sog­ar zu einem gemein­samen Grup­pen­bild vor den großen gold­e­nen Haup­tal­tar ein. Wir schenken zum Abschied einen handgeknüpften Wandtep­pich, der Dür­ers betende Hände zeigt, und erfreuen Pater André damit sehr.

Auf dem weit­eren Weg machen wir Halt in einem kleinen Café, in dem Bliny, eine Art Eierp­fannkuchen, mit ver­schiede­nen Belä­gen ange­boten wer­den. Wir lassen es uns nicht nehmen zu kosten und sind begeis­tert. Das zweite Stand­bein des Cafés sind Pup­pen­pro­jek­te. Mit Kinder­grup­pen bastelt man für Rus­s­land typ­is­che „Wün­schep­up­pen“, die zum Beispiel für Glück, Gesund­heit, Woh­lerge­hen, einen gedeck­ten Tisch im Haus und andere wichtige Dinge zuständig sind.

Den Kindern erzählt man beim Basteln von dieser Tra­di­tion: Wir bekom­men eine Puppe, gefüllt mit etlichen Kräutern, zuständig für sta­bile sibirische Gesund­heit, mit auf den Weg. Zum Glück sind wir nie mit leeren Hän­den unter­wegs und machen unser­er­seits mit wun­der­schö­nen, von Hand gestal­teten Ostereiern eine Freude.

Während der Fort­set­zung unser­er Runde durch die his­torische Alt­stadt wer­den zahlre­iche Fotos gemacht, die unsere Reise doku­men­tieren. Wir stat­ten außer­dem der Gemälde­ga­lerie einen Besuch ab. Man stellt uns Iko­nen des 11.–12. Jahrhun­derts, Gemälde der unter­schiedlich­sten Kun­stepochen, Kun­stschulen und berühmter Maler vom 14. Jahrhun­dert bis in die Gegen­wart vor. Eine grandiose Samm­lung, die inzwis­chen von ein­er kleinen pri­vat­en Samm­lung auf über 13 000 Exponate angewach­sen ist. Im Nach­barge­bäude der Galerie bewun­dern wir eine heute eröffnete Gemäldeausstel­lung ein­er 85-jähri­gen Krasnodar­er Kün­st­lerin und ihrer Schüler – grandiose Werke der unter­schiedlich­sten Genres.

Irgend­wann ist der Punkt erre­icht, an dem man diese vie­len Ein­drück­en nicht mehr aufnehmen kann. Deshalb been­den wir den Spazier­gang in einem grusinis­chen Restau­rant zum Abend­brot. Frisch­er Salat, heiße, mit Käse gefüllte Teigtaschen und vom Gast selb­st gerollte Kebaps wer­den gere­icht. Leck­er, leck­er, leck­er – mehr ist nicht dazu zu sagen.

Wir lassen den erleb­nis­re­ichen Tag im Hotel ausklin­gen. Wir find­en uns in einem unser­er Zim­mer zusam­men, sitzen gemütlich beieinan­der und ler­nen uns bess­er ken­nen. Ein langes Gespräch über uns und unsere Arbeit in der Soli, unsere Vorstel­lun­gen und Wün­sche bringt uns einan­der näher. Ein gelun­gener Abschluss des Tages.

Tag 3

Nach den gestri­gen Anstren­gun­gen sind heute den­noch alle aus­geschlafen. Das Früh­stück im Restau­rant mit Milch­suppe, Bliny, frischen Brötchen und ver­schiede­nen Marme­laden neb­st Kaf­fee und Tee sorgt für gute Stim­mung und Wohlbefinden.

Also heißt es: auf zum Invali­den­zen­trum. Zunächst ist „Lan­deskunde“ ange­sagt: Eine Straßen­bahn bringt uns unserem Ziel näher. Ein kurz­er Spazier­gang über Fußwege der etwas anderen Art, mit tiefen Löch­ern im Asphalt, irre hohen Bor­d­steinkan­ten und Kopf­steinpflaster fordert unsere ganze Aufmerk­samkeit. Wir bewältigten diese Her­aus­forderung mit Bravour und erre­ichen unver­let­zt und mit heilen Knochen das Zen­trum. Der Emp­fang ist super­her­zlich, aus jed­er Pore tropft die Gast­fre­und­schaft, in den Augen liest man pure Freude über unser Kom­men. So sind der Anblick des des­o­lat­en Haus­es und des nicht wirk­lich ein­laden­den Hin­ter­hofs schnell vergessen. Der kün­st­lerische Leit­er des Haus­es erzählt uns, dass die Ein­rich­tung seit 28 Jahren existiert und eine Elternini­tia­tive die Grün­dung „zu ver­ant­worten hat“. Eltern behin­dert­er Kinder hat­ten die Idee, über kün­st­lerische Arbeit und Han­dar­beit­stech­niken wie Zeich­nen, Malen, Schnitzen oder Stro­hflecht­en ihre Schüt­zlinge zu fördern und ihr Leben lebenswert­er zu machen. Wir find­en sehr schnell Gemein­samkeit­en unser­er jew­eili­gen Anliegen: Sie nutzen Kun­st, wir Sport, um Jugend zu fördern und zu for­men, Tal­ente zu entwick­eln und dabei nie die sozialen Aspek­te aus dem Auge zu verlieren.

Was wir dann zu sehen bekom­men, ist umw­er­fend und macht sprach­los: Gemälde und Malereien, Stil­lleben, Iko­nen, Land­schafts­bilder, Töpfer­ware, Stro­hflechtar­beit­en und Schnitzereien. Unglaublich, welche Tal­ente in dem Zen­trum ent­deckt und entwick­elt wur­den und wer­den. Die Kunst­werke wer­den inzwis­chen auf zahlre­ichen nationalen und inter­na­tionalen Ausstel­lun­gen gezeigt. Man hat etliche inter­na­tionale Kon­tak­te. Auch wir sind nicht das erste Mal zu Gast und wer­den als wahre Fre­unde willkom­men geheißen.

Ein Rundgang in den eher beschei­de­nen Räu­men gibt uns die Möglichkeit, uns mit den Ausstel­lungsstück­en ver­traut zu machen. Man ist gerne bere­it, alle Fra­gen zu beant­worten. Beein­druck­end, mit welch­er Offen­heit man uns empfängt, uns über per­sön­liche Schick­sale berichtet, gle­ichzeit­ig aber auch die enor­men Erfolge der mühevollen Arbeit nicht uner­wäh­nt lässt.

Das anschließende, eigene kreative Arbeit­en macht uns sehr viel Freude. Ohne jegliche Berührungsäng­ste, Seite an Seite mit Betreuern und Behin­derten, töpfern wir, bemalen Steine oder flecht­en Haarschmuck aus Stroh. So manch­er Skep­tik­er unter uns wird eines Besseren belehrt und ent­deckt das in ihm bish­er ver­steck­te Talent.

Beim Abschied tauschen wir erneut Geschenke. Unser in einem Bilder­rah­menset gespendetes Geld, die vie­len Bunts­tifte und Süßigkeit­en für die Kinder und Jugendlichen lassen die Augen strahlen. Wir sind uns einig, dass wir jen­seits jeglich­er Poli­tik spätestens von heute an der Partei der Men­schen mit Herz ange­hören und auch in Zukun­ft alles daranset­zen wer­den, weit­er­hin Kinder und Jugendliche zu fordern und zu fördern. Ein gelun­gener, erleb­nis­re­ich­er Besuch.

Die frische Luft und der Spazier­gang entspan­nen, denn für die Ver­ar­beitung der Ein­drücke im Invali­den­zen­trum wer­den wir wohl noch eine Weile brauchen.

In einem net­ten Café essen wir á la carte – köstlich reicht nicht, um zu beschreiben, wom­it man uns ver­wöh­nt. Spaghet­ti Bolog­nese, gebratenes Hüh­nchen mit Kartof­fel­brei, in der Pfanne gebratenes Rind- oder Schweine­fleisch mit Kartof­feln und Pilzen, gebratene Kartof­feln mit viel Gemüse – und das alles in wun­der­barem Geschirr serviert, weil das Auge ja bekan­ntlich mitisst. Wir sind run­dum zufrieden und vol­lkom­men gesättigt.

Am späten Nach­mit­tag erwartet uns ein weit­er­er Höhep­unkt des Pro­gramms. Wir spazieren bei brodel­n­dem Verkehr ent­lang der Haupt­straße zum Musik­the­ater der Stadt. Heute begin­nen die Feier­lichkeit­en zum 25. Jubiläum des hiesi­gen, noch sehr jun­gen Bal­letts mit ein­er Auf­führung des welt­bekan­nten Stücks „Die Leg­ende über die Liebe“, aufge­führt mit Unter­stützung der Prima­bal­le­ri­na des Sankt Peters­burg­er Bal­letts. Beein­druck­end, ergreifend, grandios, bewe­gend, beza­ubernd – kurzum ein Feuer­w­erk der Gefüh­le. Die Kostüme, das Büh­nen­bild, die Musik, das Orch­ester, der Diri­gent und nicht zulet­zt die Tänz­er und Tänz­erin­nen voll­brin­gen ein Meis­ter­w­erk – und wir dür­fen dabei sein. Es entste­hen unvergessliche Ein­drücke und viele Emo­tio­nen wer­den freigesetzt.

Als wir das The­ater ver­lassen, trauen wir unseren Augen nicht: Wo sind die vie­len Autos geblieben? Die Straße ist leer. Dafür sind zahlre­iche Fußgänger und Roller­fahrer unter­wegs. Und, plöt­zlich, Rad­fahrer, die es lieben, die ab Fre­itagabend zur Fußgänger­zone umge­wan­delte Haupt­straße zu nutzen.

Wir lassen den Abend in einem hüb­schen Restau­rant ausklin­gen. Bei leck­erem Salat und erneutem Essen à la carte sitzen wir gemütlich zusam­men. Unser Heimweg führt uns wieder über die als Fußgänger­zone genutzte, mit­tler­weile bevölk­erte Haupt­straße, zurück zum Hotel.

Tag 4

Zum Früh­stück haben wir uns gedanklich auf ein Geburt­stagsständ­chen für Wladimir vor­bere­it­et. Als er kommt, sin­gen wir ihm ein Lied­chen und übergeben ein Geschenk. Er ist gerührt, aber eben­falls auf Zack. Zwei Torten, eine davon gluten­frei, wer­den gere­icht und eine Flasche Sekt wird geköpft.

Zum Früh­stück essen wir Gurken-Tomat­en-Salat, Spiegeleier, Brötchen, Schinken und Champignons, dazu gere­ichter Tee und Kaf­fee run­den das Festmahl ab. Wir machen uns dann auf den Weg zu einem der zen­tralen Plätze der Stadt. Dort wird zu Ehren des heuti­gen Stadtju­biläums sehr feier­lich die Flagge der Stadt gehisst. Kosak­en marschieren in ihren Uni­for­men auf, ein gemis­chter Chor ste­ht bere­it, die Führung der Stadt eben­falls. Marschmusik erklingt, die Fahne wird über den Platz getra­gen und gehisst. Es wird salu­tiert, der Chor singt Lieder über die Freude, genau in dieser Stadt leben zu kön­nen. Ein erheben­des Gefühl, dabei sein zu dürfen.

Die Stad­to­ber­häupter gesellen sich zum Fototer­min mit den Sängern, nicht ohne unsere Gruppe vorher her­zlichst zu begrüßen und uns mit auf das Foto zu ban­nen. Echte Freude über unser Kom­men wird deut­lich. Her­zlichkeit, liebe Worte, nette Gesten – das alles ist echt und wahrhaftig so gemeint.

Nun­mehr tren­nen wir uns. Einige gehen spazieren und bum­meln durch die Uliza Kras­na­ja, die Haupt­straße der Stadt und ihre Neben­gassen. Der Rest entschei­det sich, einen Obst‑, Gemüse‑, Fleisch- und Fis­chmarkt zu besuchen. Die Far­ben­pracht der ange­bote­nen Früchte ist über­wälti­gend. Frisches Obst vom Fein­sten, Trock­en­früchte bis zum Hor­i­zont, Hülsen­früchte und Nüsse jeglich­er Art, bekan­nte und exo­tis­che Gewürze – Auge, was willst du mehr? Ein Stand mit Trockenob­st und Nüssen muss mag­netisch gewe­sen sein. Er zieht uns magisch an. Zunächst dür­fen wir viele Aprikosen, Pflau­men, Feigen, Man­deln und ein Nuss­gemisch kosten. Dann kaufen wir sehr zur Freude des Verkäufers reich­lich ein. Natür­lich bleibt unsere Anwe­sen­heit auf dem Markt nicht unent­deckt. Wir wer­den neugierig betra­chtet und inter­essiert nach unser­er Herkun­ft befragt. Nach der „Deutschland“-Antwort nick­te man freudig lächel­nd, andächtig, ehrfurchtsvoll, sog­ar anerken­nend – und das trotz der Sank­tio­nen und der derzeit­i­gen Rus­s­land­poli­tik unseres Landes.

Unser näch­stes Ziel ist die Kosak­en­pa­rade, die wöchentlich stat­tfind­et. Fol­glich machen wir kurz Rast im Hotel und ver­sam­meln uns pünk­tlich am besten Ort zum Zuschauen. Wir sind da, wer nicht kommt, sind die Kosak­en. Man hat die Parade aus pan­demis­chen Grün­den kurzfristig abge­sagt. Schade, schade, schade, aber vielle­icht ein Grund, erneut nach Krasnodar zu reisen.

Die Trau­rigkeit ist schnell ver­flo­gen, denn das Taxi ste­ht bere­it und bringt uns zu ein­er rus­sis­chen Fam­i­lie, die uns zu sich auf das Land ein­ge­laden hat. Der Weg dor­thin ist kurz. Wir brauchen den­noch länger, weil es stark reg­net. Die Wasser­massen fließen schlecht ab und es entste­hen Pfützen gigan­tis­chen Aus­maßes. In Rus­s­land ist alles groß, wir wür­den diese Wasser­flächen als Seen beze­ich­nen. Dem­nach ist schnelles Fahren nicht wirk­lich rat­sam und es kommt zum Stau, besten­falls zum Stop-and-go.

Also nochmal, eine fremde Fam­i­lie lädt acht (!) Deutsche zu sich ins Haus, zu sich auf das Grund­stück ein. Wir haben uns vorher nie gese­hen, hat­ten nichts miteinan­der zu tun.

Die Begrüßung ist so her­zlich, als ob man sich jahre­lang ken­nt. Das Haus blitzt, im Wohnz­im­mer brechen die bei­den Tis­che unter den fein säu­ber­lich in herzhaft und süß getren­nten Leck­ereien fast zusam­men. Ziegenkäse eigen­er Pro­duk­tion, Gemüs­esalat, veg­an­er Gemüseau­flauf, Rata­touille, Piroggen, Kulitschi – süße Hefeteigküch­lein, die es nur zu Ostern gibt –, Obst, frisches Brot und viele Dinge, die ich sicher­lich auf dem vollen Tisch nicht ent­deckt habe. Wahnsinn! Die Dame des Haus­es muss Tage mit der Vor­bere­itung des Tre­f­fens zu tun gehabt haben.

Beim Zusam­men­sitzen wird gelacht, ern­sthaft disku­tiert, hem­mungs­los gefragt und ehrlich geant­wortet. Wir dür­fen den Hund, die Hüh­n­er und die Ziegen ken­nen­ler­nen, die alle­samt in der Coro­n­azeit angeschafft wur­den. Der Hund, um die Langeweile und die fehlende Bewe­gung zu kom­pen­sieren, die Hüh­n­er und Ziegen dienen der Selbstversorgung.

Wie soll man nun das Tre­f­fen beschreiben?

Die beliebtesten und damit meistver­wen­de­ten Syn­onyme für „Gast­fre­undlichkeit“ sind:

Unvor­ein­genom­men­heit

Willkom­men­skul­tur

Gastlichkeit

offenes Haus

Diese Begriffe beschreiben das, was wir erleben, völ­lig unzure­ichend. Unvor­ein­genom­men­heit ja, aber wer von uns gibt Men­schen gegenüber, die man noch nie gese­hen hat und zudem Aus­län­der sind, völ­lig offen Antwort zu Poli­tik, Ein­stel­lun­gen, per­sön­lichem Leben und finanziellen Fragen?

Willkom­men­skul­tur ja, aber wer von uns beauf­tragt die Oma der Fam­i­lie, dicke Sock­en als Hauss­chuhe zu strick­en, um sie dann als Sou­venir mitzugeben?

Gastlichkeit ja, aber wer von uns empfängt Gäste bei sich mit köstlichen, selb­stzu­bere­it­eten Speisen und Getränken von Wass­er (Woda) bis Wässerchen (Wod­ka) biegen­den Tischen?

Offenes Haus ja, aber wer von uns zeigt wild­frem­den Men­schen alle, wirk­lich alle Räume und das äußere Umfeld seines Hauses?

Kurzum, ein Wort, das das Erlebte beschreibt, gibt es im Deutschen nicht!

Einige von uns, die noch nie in Rus­s­land waren, hörten von der viel­ge­priese­nen Gast­fre­und­schaft. Aber so hat­ten sie sich diese nicht vorstellen kön­nen. Nahezu unbeschreib­lich, unfass­bar. Da fehlen selb­st mir die Worte – und das will etwas heißen!

Den Abend lassen wir bei einem aus­gedehn­ten Bum­mel auf der Uliza Kras­na­ja ausklin­gen. Viele, viele Men­schen tun es uns gleich.

Lei­der kön­nen wir auch hier das Wasser­spiel der tanzen­den Fontä­nen nicht beobacht­en. Es fiel der Pan­demie zum Opfer. Ich bin mir sich­er, wir find­en noch mehr Gründe, warum wir noch ein­mal hier­herkom­men sollten.

Uns ist den­noch nicht lang­weilig. Vor­bei an Sängern oder „Beinahe“-Sängern, Feuerkün­stlern, Malern, Break­dancern, Sprayern, diskotanzen­den Jugendlichen und Leierkas­ten­spiel­ern haben wir immer etwas zu ent­deck­en, zu staunen oder zu (be-)wundern. Es ist eine wun­der­bare Idee, Woche für Woche diese Fußgänger­zone einzuricht­en. Sie wird angenom­men und hat Volks­festcharak­ter, an dem alle teil­haben können.

Tag 5

Auf dem Plan ste­ht Sotschi – was für ein Abenteuer!

Gegen­seit­iges Weck­en ist ange­sagt, denn es geht um 05:15 Uhr los. Zunächst fahren wir mit dem Taxi zum Bahn­hof. Nach der Gepäck­kon­trolle schlür­fen etliche erst­mal einen Kaf­fee, um die Augen offen hal­ten zu können.

Der Zug fährt ein und wir wer­den kon­trol­liert. Fahrkarten, Platzkarten, Pässe – das ganze Pro­gramm. Ohne diesen Zin­nober gibt es kein Ein­steigen! Wir haben ein ganzes Abteil für uns, sitzen bequem und warm. Nach cir­ca ein­er Stunde bringt man Tee und Kaf­fee und wir früh­stück­en gemein­sam. Wladimir hat Obst, Brötchen, Brot und ein Lunch­paket für jeden besorgt. Mit anderen Worten: Uns geht es blendend.

In Loo, einem Stadt­teil der mit 145 km hin­ter Mexiko-Stadt zweitläng­sten Stadt der Welt, ver­lassen wir den Zug und fahren hin­auf in den Kauka­sus. Dort besuchen wir ein Tee­haus, gebaut im Stil alter rus­sis­ch­er Holzhäuser, also ohne einen einzi­gen Nagel und völ­lig schrauben­los. Hoch oben im Gebirge haben wir einen gigan­tis­chen Aus­blick in die höheren, zum Teil schneebe­deck­ten Berge. Im Haus selb­st erk­lärt man uns viel zum Teean­bau, erzählt von der Entste­hung erster Plan­ta­gen und der Anwen­dung ver­schieden­er Erntetechniken.

Jet­zt kön­nen wir mit unserem Wis­sen glänzen. Wer weiß schon, dass von einem Strauch fünf ver­schiedene Sorten Tee geern­tet wer­den kön­nen? Und noch dazu kun­ter­bunte, näm­lich weiße, gelbe, rote, grüne und schwarze. Und andere wer­den verblüfft sein, wenn wir bericht­en, dass der herkömm­liche Teestrauch eigentlich ein Baum ist, der in die Höhe und gle­ichzeit­ig in die Tiefe wächst.

Der zweite Halt sollte in Sotschi sein. Also machen wir uns auf und fahren los, um gle­ich noch einen kurzen Stopp an ein­er Teeplan­tage zu machen. In Sotschi angekom­men, nehmen wir Jele­na an Bord, und set­zen unsere Fahrt fort. Auf dem Weg Rich­tung Kras­na­ja Pol­jana, dem 2015 übergebe­nen Skires­sort, erläutert sie uns, was wir links und rechts sehen. Infor­ma­tio­nen zur Geschichte, Bedeu­tung, Flo­ra und Fau­na der Stadt geben uns einen Überblick.

Am Ziel angekom­men, wer­den wir von Sergej, dem 28-jähri­gen Man­ag­er der Anlage, her­zlich emp­fan­gen. Er bit­tet uns, alles anzuziehen, was zu find­en ist. Mit ein­er Seil­bahn set­zen wir unsere Reise fort. Bei 540 m starten wir, gondeln auf 960 m, pausieren auf 1460 m und lan­den schließlich bei 2200 m – im Schnee. Hier oben erwarten uns 5 Grad Celsius.

Eine zün­ftige Schnee­ballschlacht muss sein. Spaß pur, Grup­pen­fo­tos non­stop, her­rliche Aus­sicht­en dank sich lich­t­en­den Nebels bei der Abfahrt, Fotos, Freude, Begeis­terung – was für ein Erlebnis!

Ein Höhep­unkt jagt den näch­sten. Nun­mehr ist Mit­tagessen ange­sagt. Ein armenis­ches Restau­rant wird aus­ge­sucht. Leck­er­er Salat, frisches Brot, super­frische Lachs­forelle aus der Forel­len­zucht in unmit­tel­bar­er Nähe, Lawasch mit gebraten­em Rind­fleisch und geback­e­nen Kartof­feln sät­ti­gen uns aufs Fein­ste und machen zufrieden. Und immer noch sind wir von grandios­er Land­schaft umgeben. Hin­ter uns die kauka­sis­chen Berge und vor uns die am Meer gele­gene Stadt. Dort sehr zeit­iger Win­ter in schrof­fer Berg­welt und da ein im Moment für hiesige Ver­hält­nisse ungewöhn­lich küh­ler Herb­st mit Pal­men, blühen­den Sträuch­ern und her­rlichen Blu­menra­bat­ten. Gegen­sätze, die faszinieren.

Unser Ziel ist der Olympia­park, durch den wir lei­der nicht spazieren dür­fen. Heute ist hier Formel-1-Ren­nen und deshalb alles abges­per­rt. Also umrun­den wir ihn mit unserem Taxi und bekom­men so einen Ein­druck über die gewaltige Anlage.

Ein Abstech­er direkt ans Wass­er bietet die Möglichkeit, sich die Füße im salzi­gen, war­men Wass­er „abzukühlen“.

Auf dem Weg zum Bahn­hof erleben wir ein Beispiel der rus­sis­chen Bürokratie. Irgend­je­mand hat­te den Ein­fall, den Weg abzus­per­ren und so die direk­te Anfahrt zum Bahn­hof zu ver­hin­dern. Auch der Hin­weis, dass wir eine inter­na­tionale Del­e­ga­tion sind, hil­ft nicht.

Tag 6

Wir erlauben uns heute ein etwas späteres Früh­stück, sind wir doch erst heute mor­gen zu Bett gegan­gen. Die zwanzig Minuten mehr hät­ten vie­len helfen kön­nen, wäre ihnen der Schock über den Wahlaus­gang nicht in die Glieder gefahren.

Den­noch sind wir gewil­lt, einen span­nen­den Tag zu erleben und das gelingt uns auch. Unser erster Pro­gramm­punkt ist ein Tre­f­fen im Haus der nationalen Kul­turen. Krasnodar beze­ich­net sich als Stadt der ver­schieden­sten Nation­al­itäten. Zurecht: Allein in diesem Haus arbeit­en 30 Grup­pen mit unter­schiedlich­er Herkun­ft friedlich unter einem Dach. Tra­di­tio­nen, Tänze, Tra­cht­en, Sprache, Kun­st und Musik sind nur einige Dinge, mit denen man sich beschäftigt. Es wird alles getan, um die Geschichte der einzel­nen Völk­er zu bewahren und weit­erzugeben. So bere­it­et man Vorstel­lun­gen, Ausstel­lun­gen und Konz­erte vor und tritt erfol­gre­ich damit auf. Man unter­richtet Kinder im Sprechen, Lesen und Schreiben der Mut­ter­sprache. Laut Aus­sagen der Mitar­beit­er des Haus­es arbeit­en Jung und Alt gut miteinan­der und unter­stützen sich.

Das Haus des Zen­trums wird von der Stadt finanziert, anson­sten schreibt man, wie bei uns, zahlre­iche Förder­anträge, um alle Ideen umset­zen zu können.

Wir wer­den her­zlich begrüßt und mit viel gegen­seit­igem Inter­esse tauschen wir Erfahrun­gen bei der Jugen­dar­beit aus. Gern ist man bere­it, uns die Arbeit­sk­abi­nette zu zeigen, nach­dem man uns Erk­lärun­gen zu den in Vit­ri­nen aus­gestell­ten Kostü­men ver­schieden­er Nation­al­itäten gegeben hat.

Wir ver­ab­schieden uns und gehen dann auf den Markt. Eigentlich gehen wir nicht – man kön­nte es eher als ren­nen beze­ich­nen. Wie immer haben wir wenig Zeit, aber viel vor. Ein Geschäft ist unser Ziel, in dem wir hem­mungs­los einkaufen. Der Rück­weg durch den Markt gle­icht einem Slalom, aber wir ver­lieren einan­der nicht.

Im Hotel angekom­men, wer­fen wir unsere erstande­nen Schätze ab, machen uns frisch und gehen zum näch­sten Tage­sor­d­nungspunkt über, dem Mit­tagessen. Ein ger­ade eröffnetes Hotel vom Super­fe­in­sten ist unser Gast­ge­ber. Salat aus frischem, aus­ge­sucht­en Gemüse, Broc­coli- oder Toma­ten­creme­suppe, Hüh­nchen auf Kartof­fel­brei, Fisch auf Reis, Eis, Kaf­fee und Tee sor­gen für Wohlbefinden.

Um 16 Uhr sind wir zum Emp­fang der Stad­to­beren ein­ge­laden. Sehr offiziell, zeitlich exakt durchge­plant, her­zlich, aber steif – also völ­lig untyp­isch für den durch­schnit­tlichen rus­sis­chen Men­schen. Man tauscht Fre­undlichkeit­en aus, zeigt gegen­seit­ig Inter­esse an der Jugen­dar­beit, hofft auf die Entwick­lung der Zusam­me­nar­beit neuer Grup­pen und spricht Ein­ladun­gen aus. Der offizielle Teil ist zu Ende und man hat es plöt­zlich mit nor­malen Men­schen zu tun. Ungezwun­gen und echt inter­essiert an unserem Rad­sport, ist man fasziniert von unser­er Arbeit. Der Erfahrungs- und Ideenaus­tausch begin­nt und zum Abschluss tauscht man Num­mern aus. Die Ver­ab­schiedung ist wesentlich her­zlich­er als der Emp­fang. Der Unter­schied zwis­chen Admin­is­tra­tion und nor­malem Bürg­er wird mehr als deutlich.

Ach, und natür­lich darf nicht vergessen wer­den, dass der als pas­sion­iert­er Rad­fahrer gekommene Jörg die Ver­anstal­tung als pen­sion­iert­er Rad­fahrer ver­ließ. Ein wun­der­bar­er Übersetzungsfehler.

Nach der Stadtrund­fahrt am ersten Tag haben wir den Wun­sch, die uns gezeigten Plätze zu Fuß zu erlaufen. Also gön­nen wir uns eine Straßen­bah­n­fahrt bis zum Ende der Haupt­straße. Die dort befind­lichen Fontä­nen dienen als Foto­mo­tiv. Wir bum­meln gemütlich in der Mitte der Straße – eine wun­der­schön gestal­tete Fußgänger­zone zwis­chen zwei gegen­läu­fi­gen Fahrspuren, auf denen sich der Kampf heimkehren­der Aut­o­fahrer abspielt.

Der Spazier­gang gibt uns Gele­gen­heit, die Blu­menuhr, das Denkmal der Stu­den­ten, den Tri­umph­bo­gen und die Glocke mit Jeka­te­ri­na näher sehen und als Foto fes­thal­ten zu können.

Tag 7

Was für ein Tag. Her­rlich­er Son­nen­schein, kein Wind, ein echt­es Gefühl von Spät­som­mer oder Früh­herb­st. Großar­tig. Dazu ein gemütlich­es Früh­stück und dann Freizeit.

Wir sind zunächst gemein­sam unter­wegs und kaufen dieses oder jenes Mit­bringsel. Der anschließende Bum­mel über den Markt in der Nähe des Hotels lässt unsere Herzen höher­schla­gen. Getrock­nete Früchte, frisches Obst und Gemüse, unendlich viele Teesorten, Nüsse, Gewürze, Süßwaren, Kos­meti­ka, Schuhe, Klam­ot­ten, Schmuck – es gibt nichts, was es nicht gibt. Dazu unendlich viele neugierige Blicke, schüchterne Nach­fra­gen, woher wir kom­men. Und spätestens dann kann irgend­je­mand ein „Guten Tag“ oder „Ich heiße …“ oder später ein nettes „Auf Wieder­se­hen“ beis­teuern. Es kann aber auch passieren, dass man einem Arme­nier begeg­net, der in fließen­dem Deutsch spricht, weil er zehn Jahre in Deutsch­land gelebt hat. Also gilt: Aufgepasst, irgend­wo gibt es immer jeman­den, der Deutsch versteht.

Zum Mit­tagessen speisen wir vornehm in einem fast nigel­nagel­neuen Restau­rant. Das Essen war bish­er sehr, sehr leck­er. Das heutige zählt auch dazu.

Unsere erste gemein­same Aktion heute ist der Besuch des Haus­es für human­itäre und schöpferische Bil­dung. Die Begrüßung ist auch hier von großer Her­zlichkeit. Man freute sich auf uns. Zunächst wer­den wir in das Muse­um des Zen­trums geführt. Dort macht man uns mit der Entwick­lung der Pio­nieror­gan­i­sa­tion ver­traut. Kurz und bündig erzählt man uns von den Anfän­gen in den Zwanziger­jahren des let­zten Jahrhun­derts und belässt es bei dem Exkurs über die Geschichte bis zum Zweit­en Weltkrieg.

Man will uns so viel wie möglich zeigen. Wir erfahren, dass es zahlre­iche Ensem­bles gibt, darunter vielfach aus­geze­ich­nete. Das Zen­trum hat an sieben Tagen der Woche von 8–20 Uhr geöffnet. Man erk­lärt uns den Werde­gang vom ein­fachen, nor­malen 7‑jährigen Kind bis zum spezial­isierten Tänz­er, Musik­er, Sänger, PC-Experten oder Schnei­der. Alle Bere­iche unter­stützen sich gegen­seit­ig. Es ist ein wun­der­bares Miteinan­der in ein­er großen Familie.

Zahlre­iche Pokale, Medaillen, Zer­ti­fikate und Ausze­ich­nun­gen zeu­gen von der Qual­ität der Kollek­tive. Wir dür­fen drei davon sehen. Wun­der­schöne Kostüme, famose Chore­ografien, trotz kör­per­lich­er Anstren­gung stets lächel­nde Kinder – ein Feuer­w­erk des Wil­lens, Kön­nens und unser­er­seits Genießens wird abge­fack­elt. Sagen­haft, was dort geleis­tet wird.

Gän­zlich ohne Pause set­zen wir unsere Erleb­nis­tour fort. Auf nach Adyge­ja – eine Repub­lik jen­seits des Flusses Kuban.

Um nicht in den Wahnsinnsstau zu kom­men, fahren wir vor 17 Uhr auf einem Umweg über die weit­er ent­fer­nte Brücke. Die eigentliche ist ges­per­rt, dementsprechend hoch das Verkehrsaufkommen.

Auf der anderen Seite angekom­men, find­en wir uns schnell in einem weit­eren ger­ade erst eröffneten Restau­rant ein. Ady­gis­ches Essen wird gere­icht. Schade, dass es keine Geruchs- und Geschmacks­berichte gibt. „Abso­lut empfehlenswert“ wäre im Restau­rant­führer zu lesen. Jedes Gericht ist her­vor­ra­gend. Allerd­ings dauert es ins­ge­samt zu lange. Mit ein­er größeren Gesellschaft wäre man wohl über­fordert. Was soll´s? Übung macht den Meister!

Wir jagen hier von einem Erleb­nis zum anderen. Das ady­gis­che Folk­loreensem­ble hat uns zu ein­er sein­er Train­ingsstun­den ein­ge­laden. Jun­gen und Mäd­chen im Alter von 7–27 tanzen zusam­men. Na ja, was soll das schon sein?

Wie kön­nte man aber beschreiben, was wir geboten bekom­men? Zu Beginn machen die Jugendlichen sich warm und dann sind sie nicht mehr zu hal­ten. Sie schweben, wirbeln, drehen sich, sprin­gen und schla­gen Salti. Spitzen­tanz, exak­te Kör­per­hal­tung, der entsprechende Gesicht­saus­druck – dort passt alles, jedes Detail sitzt. Man zeigt uns, dass man nicht nur tanzen kann, son­dern auch weiß, wie mit Trom­meln umzuge­hen ist. Unglaublich, was diese jun­gen Leute kön­nen. Umw­er­fend, begeis­ternd, sen­sa­tionell, verblüf­fend, faszinierend, spitze, mega – das sind Adjek­tive, um die Ein­drücke in Worte zu fassen. Im Anschluss tanzt man gemein­sam mit uns. Car­oli­na begeis­tert mit ihren Trommelklängen.

Zur Ver­ab­schiedung kommt es nicht gle­ich, denn das gegen­seit­ige Inter­esse ist groß. Vom Kun­strad­fahren, Rad­po­lo oder Roll­sport hat man noch nie gehört, schon gar nicht etwas gese­hen. Bloß gut, dass es die mod­erne Tech­nik gibt und man Videos zeigen kann. Die Fra­gen von bei­den Seit­en ziehen sich hin, man erkundigt sich hem­mungs­los. Das alles bei enormer Offen­heit und Her­zlichkeit. Der Abend wird uns lange im Gedächt­nis bleiben.

Wir sitzen in unserem Hotel noch ein Weilchen beieinan­der, weil jed­er von uns erst­mal seinen hohen Adren­a­lin­spiegel in den Griff bekom­men muss.

Tag 8

Orljonok, wir kommen!

Das zweit­größte Kinder­erhol­ungszen­trum erwartet unseren Besuch. Also machen wir uns nach einem Früh­stück der etwas anderen Art auf den Weg. Warum anders? Die neue Belegschaft ist sehr jung und bemüht. Vor allem aber nervös und aufgeregt. Schlussendlich hat dann aber jed­er etwas zu essen und zu trinken und es kann losgehen.

Das Großraum­taxi bringt uns sich­er ans Ziel, auch wenn man hier bei den Ent­fer­nun­gen mit län­geren Fahrzeit­en rech­nen muss. Wir rollen den­noch dem Zeit­plan entsprechend „vor die Tore“ des Lagers, schießen gle­ich mal ein paar Grup­pen­fo­tos und wer­den dann fre­undlich begrüßt.

Unser Weg führt uns in das Innere diese Riesenkom­plex­es. Dort erwarten uns der stel­lvertre­tende Direk­tor des Lagers und die Lei­t­erin der Abteilung für Zusam­me­nar­beit mit dem Ausland.

Ein leck­eres zweites Früh­stück wird in einem Café gere­icht und nach ein­er kurzen Vorstel­lungsrunde und Erläuterun­gen zum Tagesablauf stellt und beant­wortet man bere­its erste Fragen.

Ein Spazier­gang zu den einzel­nen Gebäu­den und Ein­rich­tun­gen des Innen­bere­ichs macht uns schnell deut­lich, von welch gigan­tis­chem Aus­maß dieses Lager ist: Zehn Unter­lager mit ver­schiede­nen Aus­rich­tun­gen je nach Tal­ent und Inter­esse, davon vier ganzjährig, im Som­mer bis zu 4000 Kinder im Alter von 7–17 Jahren, dazu 2 500 Mitar­beit­er, im Win­ter 1500 Kinder und 2000 Bedi­en­stete, 13 Durchgänge von je 21 Tagen. Das muss man erst mal koor­dinieren und managen.

Wir sehen mit eige­nen Augen ein Sta­dion, einen Sport- und Kul­tur­palast mit olympiageeigneter Schwimmhalle im zweit­en Stock neb­st Sprung­turm, zwei Museen für Kos­mos oder die Geschichte der Entste­hung und Entwick­lung des Lagers, Speis­esäle, Ausstel­lun­gen, Sportan­la­gen, eine Allee der kreativ­en Meis­ter beste­hend aus fünf Fer­tighäusern jew­eils zum Töpfern, Weben, Malen, Nähen, Basteln, ein Amphithe­ater, ein Obser­va­to­ri­um, eine Schule und zahlre­iche Gebäude der Lager. Unglaublich!

Wir erfahren, dass im Orljonok stets auch gebaut wird – und das in ein­er Wahnsinns­geschwindigkeit. Die Allee der Meis­ter ent­stand in zwei Jahren, das Amphithe­ater in knapp drei. Und es wer­den neue Ein­rich­tun­gen entstehen.

Das Lager ver­fügt über einen eige­nen Fuhrpark, mehrere Küchen, eine Wäscherei, einen guten medi­zinis­chen Dienst und viele weit­ere Dinge. Es ist eine Stadt für sich.

Alles ist groß und für viele Kinder aus­gelegt. Das sind Dimen­sio­nen, die man sich schw­er vorstellen kann. Es muss grandiose Pla­nung dahin­ter­steck­en, um alles unter einen Hut zu bekommen.

Lei­der haben wir zu wenig Zeit. Man will uns so viel wie möglich zeigen, aber auch mit uns ins Gespräch kommen.

Wir sind beein­druckt über die Vielfältigkeit, die dieses Lager bietet. Aus­gek­lügelte Pläne von Päd­a­gogen, Psy­cholo­gen und Methodik­ern, die offen­sichtlich an einem Strang ziehen, machen es möglich, dass jedes Kind und jed­er Jugendliche im Lager glück­lich ist, extrem viel lernt, neue Fre­unde find­et und sich mit Wehmut nach den 21 Tagen auf den Weg nach Hause macht. Die Hoff­nung, wiederkehren zu dür­fen, hat dabei jed­er im Gepäck.

Bei der knap­pen Beschrei­bung wurde die Lage des Lagers noch nicht erwäh­nt: Vier Kilo­me­ter lange Schwarzmeerküste, über tausend ver­schiedene Pflanzen- und Baum­sorten, her­rliche Blu­men­beete – das Außen­gelände ist ein Traum für sich: Wunder-wunderschön.

Unser Tag ist voll­ständig durchge­tak­tet, eine Besich­ti­gung fol­gt ein­er Führung und umgekehrt. Infor­ma­tio­nen über Infor­ma­tio­nen, fast erschla­gend, aber hochinteressant.

Den­noch bietet man uns die Gele­gen­heit ins Wass­er einzu­tauchen, das eine Tem­per­atur von 18 Grad hat. Wir haben das ganze Meer für uns und genießen dieses Abenteuer.

Ins­ge­samt gle­icht der Tag ein­er logis­tis­chen Meis­ter­leis­tung. Von unsicht­bar­er Hand geführt, gelan­gen wir zu all diesen Ein­rich­tun­gen, wer­den bestens mit Mit­tagessen und Abend­brot beköstigt und man umsorgt uns wie her­zlich willkommene Fre­unde. Eine abso­lut gelun­gene Zeit mit unvergesslichen Ein­drück­en. Und es gäbe noch so viel mehr zu entdecken!

Die Rück­fahrt ver­läuft prob­lem­los und nahezu staufrei, sodass wir rel­a­tiv zügig in Krasnodar zurück sind.

Tag 9

Als heute während des Früh­stücks gesagt wird, dass wir von unserem Aus­flug gegen Mit­ter­nacht zurück sein wer­den, glaubt man an einen Scherz. Doch es soll sich bewahrheit­en. Eine Run­dreise von cir­ca 500 Kilo­me­tern mit mehreren Unter­brechun­gen nimmt nun mal viel Zeit in Anspruch.

Unser Ziel ist Gelend­schik, ein bekan­nter Kurort an der Schwarzmeerküste. Auf der Strecke machen wir Halt in einem Brot- und Wein­mu­se­um. In dessen Räu­men zeigt man uns in ein­er nachge­baut­en Bock­wind­müh­le diesen und andere Typen von Getrei­demühlen. Ein Sam­mel­suri­um von alten Din­gen wie Bügeleisen, Plat­ten­spiel­ern, Fotoap­pa­rat­en, Samowaren – ein nachge­bautes, damals typ­is­ches Kosaken­z­im­mer kann eben­falls bestaunt werden.

Nach dem Rundgang geht es zum prak­tis­chen Teil der Führung. Der Sauerteig ist vor­bere­it­et, wir for­men Brötchen und in einem riesi­gen, dank echt­en Feuers war­men (Schlaf)-ofen back­en wir unsere form­schö­nen Brötchen.

Nach cir­ca sechs Minuten ist unser Werk voll­bracht. Wie aus einem Hexenofen holen wir unsere Gebäck­teile her­aus und lassen sie uns zu ein­er Tasse Tee schmeck­en. In der Zwis­chen­zeit haben wir eine kurze, aber effek­tive Wein­verkos­tung vorgenom­men. In der Gegend, in der sich das Muse­um befind­et, wird viel Wein ange­baut und wir dür­fen heute die Nutznießer sein.

Wir set­zen die Reise fort und kom­men bald nach Gelend­schik, einem in Rus­s­land sehr bekan­nten Kurort an der Schwarzmeerküste. Dort bum­meln wir ent­lang der Seep­rom­e­nade, beobacht­en Wasser­sportler, staunen über die sehr teuren Villen und Hote­lan­la­gen, genießen den Blick zum Hor­i­zont und die wun­der­bare Bepflanzung der Fußgänger­zone. Dabei trotzen wir dem mächti­gen Wind, der uns heute gewaltig durchschüttelt.

Das näch­ste Ziel, die Stadt Novorossisk, wird nach einem kurzen Stopp an der Auto­bahn schnell erre­icht. Bei diesem Halt über­queren wir über eine Brücke die Fahrbahn und haben einen grandiosen Aus­blick auf die Bucht. Dort liegt eine Rei­he großer Schiffe, wir sehen Schwim­mer und man erzählt uns, dass man hier auch Delfine beobacht­en könne.

Novorossisk selb­st ist eine große Hafen- und Indus­tri­es­tadt mit viel Erdöl­gewin­nung und Ver­schick­ung. Die großen Indus­triean­la­gen und die zahlre­ichen Plat­ten­wohn­häuser wirk­ten natür­lich nicht sehr ein­ladend, die im Hin­ter­grund befind­lichen hohen Berge beein­druck­en schon.

Bald erre­ichen wir unser Ziel, ein malerisch gele­genes Restau­rant. Ein Park mit traumhafter Bepflanzung und unter­schiedlich­sten, uns frem­den Bäu­men. Auf Schildern erk­lärt man die Wirkung ihrer Früchte auf die Gesund­heit. Eine zauber­haft angelegte Wasser­fläche mit vie­len, vie­len Forellen run­det das Bild ab. Wir nehmen in einem der zahlre­ichen Häuschen, in denen man in Gruppe oder Fam­i­lie zurück­ge­zo­gen und coro­n­akon­form speisen kon­nte, Platz.

Nach einem üppi­gen Mahl gehen wir mit echtem Völ­lege­fühl zum Großraum­taxi zurück. Wir haben viel zu viel gegessen. Leckere Fis­chsuppe, ein für uns etwas gewöh­nungs­bedürftiger Salat, riesige, auf dem Grill gegarte Forellen und Champignonköpfe wur­den gere­icht. Es war köstlich.

Unsere Reise nähert sich dem näch­sten Höhep­unkt. Wir besuchen die Sek­tkel­terei Abrau Dur­so. Wir nehmen an ein­er inter­es­san­ten Führung durch die Anla­gen der Pro­duk­tion­sstätte teil und erfahren viel über die Grün­dung und weit­ere Entwick­lung des Betriebes. Man erk­lärt uns viele Details der Sek­ther­stel­lung und führt uns durch kilo­me­ter­lange Tun­nel vor­bei an Tausenden Sek­t­flaschen. Allein die in der Sow­jet­zeit ent­stande­nen und an Metro­tun­nel erin­nern­den Gänge sind fünf Kilo­me­ter lang. Die beein­druck­enden Zahlen und ein Blick in die Pro­duk­tion sind über­wälti­gend. Den Abschluss der Führung bildet die in einem Irrsinnstem­po durchge­führte Sektverkostung.

Der Heimweg ist nun nur noch 170 Kilo­me­ter lang. Man plant hier in anderen Dimen­sio­nen. Nach reich­lich zweiein­halb Stun­den hat Krasnodar uns zurück. Wir stat­ten noch schnell einem Café einen Besuch ab, um dort leckere Piz­za und Salat als Bet­thupferl zu uns zu nehmen.

Der Tag war ereig­nis- und erleb­nis­re­ich, sehr, sehr windig und nicht unanstren­gend, sodass sich manch­er schon auf sein Bett freut.

Tag 10

„Время летит“ (Wrem­ja letit), sagt der Russe. Die Zeit fliegt. Bei uns heißt es, dass sie schnell verge­ht. Und genau­so ist es. Ger­ade noch saßen wir im Flugzeug und freuten uns, dass wir gut in Krasnodar gelandet sind. Und nun ver­brin­gen wir den let­zten Tag hier. Das ist kaum zu glauben!

Es sind wieder erleb­nis­re­iche Stun­den, die mit dem Früh­stück, serviert von unser­er Lieblingskell­ner­in, begin­nen. Dazu gibt es Live­musik am weißen Flügel, gespielt von einem her­aus­ra­gen­den Vir­tu­osen. Gefüh­lvoll, dezent im Hin­ter­grund, ein Genuss. Wir müssen das natür­lich mit Applaus und her­zlichen Worten würdi­gen. Die Freude ist groß.

Wir tre­f­fen uns um 10 Uhr im Foy­er unseres Hotels und die Ral­lye durch die Stadt begin­nt. Die erste Sta­tion gilt der Post, zum Kauf von Brief­marken. Wer macht das heute noch? Es gelingt den­noch und unter erstaunter Beobach­tung zahlre­ich­er neugieriger Zuschauer wan­dern gefühlt 50 Karten in den Briefkasten.

Die näch­ste Sta­tion ist der Sou­venir­laden und so manch­es Stück wech­selt den Besitzer. An Sta­tion Num­mer 3 unser­er Ral­lye stat­ten wir dem his­torisch-archäol­o­gis­chen Muse­um der Stadt Krasnodar einen Besuch ab. Wir brauchen drei Anläufe, um in den ersten Ausstel­lungssaal zu gelan­gen. Heute find­et dort ein Pro­jek­t­tag für Grund­schulkinder der Kosak­en­schule statt. Zunächst wird unser Gang über den Kor­ri­dor von Kathe­ri­na der Großen und einem Kosak­e­nata­man (kostümierte Stu­den­ten) unter­brochen. Den Kindern erk­lärt man so die Geschichte der Stadt. Es fol­gt ein Gruppenfoto.

Der zweite Ver­such, den Kor­ri­dor zum Saal zu über­winden, scheit­ert, weil nun­mehr viele kleine Kinder in Kosak­en­schu­lu­ni­form auf uns zukom­men. Ein weit­eres Grup­pen­fo­to fol­gt. Bei all diesen Aktio­nen begeg­nen wir stets fre­undlichen, offe­nen und an uns inter­essierten Menschen.

Der dritte Ver­such klappt. Wir erschließen uns die Ausstel­lungssäle selb­st, unter tatkräftiger Unter­stützung des Auf­sichtsper­son­als, das uns so manche Erk­lärung, so manchen Hin­weis gibt.

Kosak­en­land, Katha­ri­na die Große, Kosak­en­flucht nach 1920, Rück­kehr nach 2000, Großer Vater­ländis­ch­er Krieg und die Kampfhand­lun­gen rund um Krasnodar, der Auf­bau nach dem Krieg und die Part­ner­städte sind lehrre­iche The­men. Wir erhal­ten manche bish­er unbekan­nte Infor­ma­tion. Das Muse­um befind­et sich in zwei über­aus üppig gestal­teten Gebäu­den. Zum einen das ehe­mals beste Hotel des Platzes, zum anderen das ehe­ma­lige Wohn­haus ein­er super­re­ichen Kaufmannsfamilie.

Wir erholen uns von den vie­len Ein­drück­en, indem wir neue an den näch­sten Ral­lyesta­tio­nen sam­meln. Wir suchen und find­en ein Wollgeschäft und kaufen noch dieses und jenes auf dem Markt. Und auch hier umgibt uns Fre­undlichkeit und Inter­esse. Jed­er, der kann, kramt deutsche oder englis­che Sprachken­nt­nisse her­vor. Umwerfend!

Nach ein­er kurzen Pause im Hotel essen wir leck­er à la carte zu Mit­tag in einem Café. Salat, geröstete Kartof­feln, gegrilltes Gemüse, Pilze, Steak, Eierkuchen mit Mas­car­pone und Beerenob­st. Es bleiben keine Wün­sche übrig.

Für den Nach­mit­tag haben wir uns einen Bum­mel am Kuban gewün­scht. Wir spazieren also dor­thin, bum­meln an der Ufer­prom­e­nade ent­lang, schlen­dern über die „Brücke des Kuss­es“ und lassen uns Zeit beim Betra­cht­en all der Ein­rich­tun­gen des sich anschließen­den Erhol­ungs- und Erlebnisparks.

Die Zeit für das Aben­dessen ist gekom­men. Wir speisen fürstlich in einem sehr vornehmen Kosak­en­restau­rant, nicht ohne uns vorher die wun­der­schö­nen Auße­nan­la­gen ange­se­hen zu haben. Das Essen – Salat, Borschtsch, Rin­der­medail­lons, Schweine­lend­chen, Kartof­fel- oder Zuc­chinipuffer, schmeckt her­vor­ra­gend. Und während wir schlem­men, dreht ein gemis­chter Kosak­en­chor seine Run­den durch die ver­schiede­nen Räume. Was für Stim­men, was für eine Ausstrahlung – einzi­gar­tig. Wir genießen also Abend­brot mit Konz­ert. Ein echt­es Erlebnis.

Wer annahm, der Abend gin­ge nun zu Ende, ken­nt Wladimir nicht. Unser Taxi ste­ht vor dem Restau­rant und wir fahren statt ins Hotel weit vor die Tore der Stadt, um den Bürg­er­park am neuge­baut­en Sta­dion bei Beleuch­tung zu erleben. Am Don­ner­stag haben wir ihn schon besucht, aber das ist nichts im Ver­gle­ich zu jet­zt. Wasser­spiele, beleuchtete Bäume, Skulp­turen, Kun­sto­b­jek­te, Wass­er in jeglich­er Form, Amphithe­ater, Lichtquellen über­all – ein wun­der­bar­er Abschluss des Tages und eine gelun­gene Überraschung.

Nun gilt es Abschied­nehmen, Ein­drücke ver­ar­beit­en, Kon­tak­te zu ver­tiefen, sich auf zu Hause zu freuen und später vielle­icht, sich ein wenig zu erholen.

Tag 11

Heute ist hier alles zum let­zten Mal:

Let­ztes Weckerklingeln,

let­zte Dusche,

let­zter Sonnenaufgang,

let­ztes Früh­stück in gewohn­ter gemein­samer Atmosphäre.

Und den­noch ist etwas anders: Wehmut macht sich breit.

Um nicht zu weinen oder gar in Depres­sion zu ver­fall­en, nutzt der Russe dafür „die Minute des Abschieds“. Es ist alles fer­tig zum Auf­bruch, er set­zt sich still hin und ver­ab­schiedet sich von dem Ort, von den Men­schen, die er liebt oder liebge­won­nen hat. Und dann wen­det er sich, noch immer sitzend, dem zu, was da kom­men wird. Neue Her­aus­forderun­gen, neue Ziel, eventuell lang ver­mis­ste oder ein­fach andere liebe Men­schen am näch­sten Ort.

Mir hil­ft diese Sitte, geht man dann doch fro­hen Mutes los, um weit­ere Ent­deck­un­gen, Erfahrun­gen oder Erleb­nisse zu sam­meln. Ver­sucht es mal!

Das Früh­stück ist der let­zte Akt in unserem Hotel. Wir ver­ab­schieden uns von „unser­er“ Kell­ner­in und fahren dann mit „unseren“ bei­den Wladimiren zum Flughafen.

Alle Kon­trollen ver­laufen prob­lem­los. Lediglich ein Ruck­sack muss an einem anderen Schal­ter abgegeben wer­den. Warum auch immer. Der junge Mann, der ihn ent­ge­gen­nimmt, sieht ver­trauenser­weck­end aus. Ob er der Richtige ist, erfahren wir erst in Berlin. Wir sind gespannt.

Der Flug ver­läuft sehr gut. Großar­tiger Start, grandiose Lan­dung in Moskau – und das 25 Minuten vor der Zeit. Wir fühlen uns den­noch erst richtig wohl, als zwei unun­ter­brochen schreiende Kinder zur Ruhe gebracht wer­den. Eine einzige Ansage genügt dafür. Vorher hat­ten wir lange Geduld bewiesen.

Kaum gelandet, wer­den wir gle­ich abge­fan­gen. Die Pass­reg­istrierung in Krasnodar hat wohl nicht wirk­lich geklappt.

Das alles ist aber kein Prob­lem. Alle Kon­trollen ver­laufen zügig und ohne Prob­leme. Nun sitzen wir im Pas­sagier­bere­ich und whattsap­pen mit unseren Lieben zu Hause. Wladimir ist auch informiert. Er wün­scht uns einen guten Weiterflug.

Die Begeg­nung wurde von der Stiftung Deutsch-Rus­sis­ch­er Jugen­daus­tausch gefördert.